Das Forscherteam vom ILH posiert für ein Gruppenfoto vor der Bodenstation auf dem Dach des Pfaffenwalrings 31 auf dem Campus Vaihingen.

Bodenstation empfangsbereit für 6G-Kommunikationsnetze

24. April 2024

Forschende der Universität Stuttgart errichten auf dem Campus Vaihingen eine W-Band Bodenstation für Breitband-Internet aus dem All. Die Vision Kommunikationsstrecken für höchste Datenraten über einen nahtlos vernetzten Planeten aufzubauen, rückt damit ein Stück näher.
[Bild: ILH, Universität Stuttgart]

Der Bedarf an Breitbandkommunikation ist seit Jahren ungebrochen und wächst ständig. Die aggregierten Datenraten in drahtlosen sowie drahtgebundenen Netzen nehmen exponentiell zu. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der globalen Nutzung des Homeoffice über Telemedizin zur Unterstützung des medizinischen Personals bis hin zur Unterstützung von Ersthelfern bei der Ad-hoc-Koordination von Notfällen. Durch die in der sechsten Generation der Mobilkommunikation (6G) angestrebte Erweiterung terrestrischer Netze um die dreidimensionale, vertikale Komponente der Satellitenkommunikation, kann erstmals Breitband-Internet an jedem Ort und zu jeder Zeit rund um den Globus erschlossen werden. Diese Entwicklungen werden durch den Aufbau weltumspannender Satellitenkonstellationen in kosteneffizienten New Space-Kontext möglich.

Projekt EIVE erschließt neue Frequenzbereiche für Satellitenkommunikation

Im Rahmen der von der Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten und von der Universität Stuttgart koordinierten Nanosatellitenmission EIVE (Exploratory In-Orbit Verification of an E/W-band Downlink) wird an der Erschließung neuer Frequenzbereiche für die breitbandige Satellitenkommunikation und damit einhergehend an der Sicherstellung des stetig wachsenden Bedarfs an Datenraten geforscht. Die Besonderheit hierbei ist, eine weltweit neuartige Gigabit-Kommunikationsstrecke mit höchsten Datenraten zwischen Weltall und Erde nachzuweisen bzw. aufzubauen.

Forschenden des Instituts für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH) der Universität Stuttgart ist es nun gelungen, das Bodensegment mit einer eigens konzipierten und entwickelten Bodenstation für den Empfang von breitbandigen Kommunikationssignalen im W-Band in Betrieb zu nehmen. Die Bodenstation wurde auf dem Campus Vaihingen auf dem Dach des Pfaffenwaldrings 31 installiert, wo sich auch die vom Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) betriebene S-Band-Bodenstation befindet.

Das Forscherteam vom ILH posiert für ein Gruppenfoto vor der Bodenstation auf dem Dach des Pfaffenwalrings 31 auf dem Campus Vaihingen.
Das Forscherteam vom ILH der Universität Stuttgart hat neben der S-Band-Bodenstation, betrieben vom IRS, nun eine W-Band-Bodenstation auf dem Campus Vaihingen errichtet.

Die voll funktionsfähige W-Band-Bodenstation führt mehrere Innovationen im Bereich der Satellitenkommunikation ein: Sie kombiniert eine 1,2 Meter große Parabolantenne mit extrem hoher Richtwirkung und präziser Antennennachführung mit dem weltweit rauschärmsten Funkempfänger und einer neuartigen Digitalisierung mit Massenspeicher, die die Speicherung breitbandiger, digitaler Kommunikationssignale mit über 10 Gigabit pro Sekunde Datenrate im Radiofrequenzbereich von 71 bis 76 Gigahertz erlaubt. Das ermöglicht die Datenerfassung während eines kompletten Überfluges eines Satelliten im niederen Erdorbit (Low Earth Orbit). 

Zusätzlich verfügt der Empfänger über eine Synchronisierung digital modulierter Nutzdaten in Echtzeit, die etwa das Streaming von unkomprimierten Videos in 4K-Auflösung ermöglicht. Für höchste Präzision der stark gerichteten Antennenkeule setzt die Antennennachführung erstmals in diesem Frequenzbereich Multi-Mode-Tracking und einen automatisierten Suchalgorithmus mit Einsatz von künstlicher Intelligenz um.

Die Bodenstation aufgenommen am frühen Abend von einer Überwachungskamera.
An der Entwicklung der Bodenstation waren neben dem ILH außerdem das IRS, das Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik und die Radiometer Physics GmbH beteiligt.

Die Bodenstation enthält modernste und weltweit führende Technologien der Projektpartner Radiometer Physics GmbH (RPG) und Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF). Die Antenne wurde von RPG entwickelt und hergestellt. Das Fraunhofer IAF hat die leistungsfähigen integrierten Schaltkreise auf der Grundlage seiner innovativen III/V-Halbleitertechnologien hergestellt und hochmoderne Verstärker entwickelt, mit denen die breitbandige Datenverbindung ermöglicht wird.

Das gesamte Bodenterminal ist temperaturgesteuert, sodass die Komponenten und die Signalübertragung nicht durch wechselnde Witterungsbedingungen beeinträchtigt werden. Das IRS der Universität Stuttgart war im Projekt EIVE für den Entwurf, Bau und Integration des Satellitenbusses zuständig. Darüber hinaus leitet das IRS den operationellen Betrieb des Satelliten mithilfe der S-Band Bodenstation sowie externen Bodenstationen.

Einem nahtlos vernetzten Planeten einen Schritt näher

Die wissenschaftlichen Aktivitäten rund um das EIVE-Projekt und die Entwicklung der innovativen W-Band Bodenstation für Breitband-Internet aus dem All verkörpern einen signifikanten Meilenstein in der Weiterentwicklung der globalen Kommunikationsnetzwerke. Durch die Kombination fortschrittlicher technologischer Lösungen mit interdisziplinärer Forschung und Kooperation leisten diese Tätigkeiten einen entscheidenden Beitrag zur Realisierung der Vision eines nahtlos vernetzten Planeten, auf dem Informationen frei und schnell über geografische und digitale Grenzen hinweg fließen können.

Interessierte können sich über diese und weitere moderne Entwicklungen der Satellitenkommunikation auch im Showroom des Deutschen Zentrums für Satelliten-Kommunikation e.V. (DeSK) am Standort Backnang näher informieren. Dort ist unter anderem ein 1:1-Modell des EIVE-Satelliten ausgestellt, welches interaktiv die einzelnen Funktionsweisen des Satelliten erläutert.

Weiterführende Hinweise finden Sie auf der Projektseite des ILH sowie auf der Homepage von DeSK

Dieses Bild zeigt Ingmar Kallfass

Ingmar Kallfass

Prof. Dr.-Ing.

Direktor und Institutsleiter

Dieses Bild zeigt Laura  Manoliu

Laura Manoliu

M.Sc.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

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