32.000-mal um die Erde: Flying Laptop zieht weiter seine Runden im All

14. Juli 2023

2017 schickte die Universität Stuttgart ihren ersten Kleinsatelliten „Flying Laptop“ ins All. Der Satellit ist bereits dreimal so lang wie ursprünglich geplant im Dienst der Wissenschaft unterwegs. Obwohl noch voll funktionsfähig, heißt es nach sechs Jahren nun: Mission erfüllt. Doch ausgemustert wird er noch nicht.
[Bild: IRS / Universität Stuttgart]

60 x 70 x 87 Zentimeter groß und 110 Kilogramm schwer: Flying Laptop war beim Antritt seiner Reise ins All am 14. Juli 2017 der bis heute größte und vor allem komplexeste Kleinsatellit, der an einer deutschen Universität entwickelt wurde. Einmalig in der universitären Luft- und Raumfahrtlehre haben mehr als 170 Studierende und mehr als 25 Promovierende den Kleinsatelliten mit Unterstützung von Expert*innen aus der Industrie gebaut, fit für die Reise ins All gemacht und in Betrieb genommen. Damals hätte das Team um Professorin Sabine Klinkner nicht zu hoffen gewagt, dass das Projekt Forschung und Lehre der Universität Stuttgart so lang und so erfolgreich dienen würde.

Flying Laptop mit ausgeklappten Solarpaneelen.
Mit der Größe einer Waschmaschine bietet Flying Laptop Platz für jede Menge Technik. Mit an Bord sind unter anderem Solarpaneele zur Energieversorgung, eine Multispektral-Kamera und das Datenübertragungssystem OSIRIS.

Sechs Jahre störungsfreier Betrieb

„Ursprünglich war der Kleinsatellit auf eine Lebensdauer von zwei Jahren angelegt“, erklärt Klinkner. „Nun liefert er noch immer Daten aus dem All, die beispielsweise für die Landwirtschaft genutzt werden können, und wichtige Telemetrie, die uns hilft, Technologien zur Datenübertragung weiterzuentwickeln. Das ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit.“

Da sich Flying Laptop als höchst zuverlässig und robust erwies, wurde der Betrieb zweimal um je zwei Jahre verlängert. In diesen sechs Jahren leistete Flying Laptop wertvolle Beiträge, wie zum Beispiel zur Vegetations- oder Schiffsverkehrsüberwachung. Mit an Bord sind innovative Technologien, etwa eine neuartige Satellitenavionik oder das Laserkommunikationsterminal OSIRIS, die im Weltraum erprobt werden.

Nun läuft die Projektfinanzierung für Flying Laptop aus, doch Klinkner versichert: „Auch wenn wir den Satelliten nun nicht mehr vollständig ausnutzen, hat er noch lange nicht ausgedient.“

Grundstein für Raumfahrtinfrastruktur auf dem Uni-Campus

Obwohl Satelliten zu großen Teilen automatisiert arbeiten, ist die Bodeninfrastruktur noch immer maßgeblich für den Satellitenbetrieb. Noch können Satelliten nicht von allein arbeiten. „Für den Satellitenbetrieb wurden eine Bodenstation und ein Kontrollzentrum auf dem Campus Vaihingen errichtet“, sagt Steffen Gaißer, langjähriger Leiter des Satellitenbetriebs. Von dort überwacht das Satellitenteam Flying Laptop, definiert die nächsten Aufgaben und kommandiert den Satelliten.

Weltkartenansicht mit der Flugbahn von Flying Laptop.
In der Bodenstation auf dem Campus Vaihingen überwacht das Team den Satelliten, der pro Jahr etwa 5.000-mal um die Erde kreist.

„Außerdem haben wir im Zuge des Projekts einen Reinraum für die Satellitenintegration, eine Thermal-Vakuum-Kammer sowie einen Simulator für Software-Verifikation und Betriebssimulationen eingerichtet“, so Klinkner. „Für die Forschung im Bereich Satellitentechnik am Standort Stuttgart ist diese Infrastruktur eine extrem wertvolle Grundlage, die auch für alle nachfolgenden Missionen genutzt werden kann. Das kommt auch unserem zweiten Satelliten EIVE zugute, der seit einem Monat Gefährte des Flying Laptop im All ist.“

Studierende koordinieren Entwicklung und Betrieb des Satelliten

Mittlerweile befindet sich Flying Laptop 2190 Tage im All und umrundete die Erde mehr als 32.000-mal. Möglich macht das ein Team von Studierenden und Promovierenden, die den Satelliten überwachen – zu Beginn rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb, dann zunehmend automatisiert.

Von Anfang an lagen Entwicklung, Bau, Betrieb und Überwachung des Satelliten in den Händen des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart – eine Mammutaufgabe, die er hervorragend gemeistert hat. „Für die Studierenden und Promovierenden war und bleibt Flying Laptop eine tolle Möglichkeit, ihr Wissen aus dem Studium anzuwenden. So eine intensive Projektarbeit ist eine einmalige und sehr wertvolle Erfahrung“, sagt Klinkner.

Teamfoto, die Personen winken in die Kamera, in ihrer Mitte der Satellit Flying Laptop
Das Team um Klinkner im Reinraum am Institut für Raumfahrtsysteme.

Das Wissen aus den Vorlesungen konnten die Studierenden direkt in der Praxis umsetzen: Mit Flying Laptop konnten sie ein eigenes Erdbeobachtungsprojekt planen, durchführen und auswerten. „Flying Laptop ist ein ausgezeichnetes Projekt, um Studierende für die Raumfahrt zu begeistern und ihnen die Möglichkeit zu geben, schon im Studium eigene Erfahrungen im Rahmen eines Raumfahrtprojekts zu sammeln“, erklärt Gaißer.

Für Lehrzwecke weiter im Einsatz

Neben den eigentlichen Missionszielen hat Flying Laptop weitere Forschungsfragen gewinnbringend untersucht. Nun wird der Betrieb langsam reduziert. Doch so lange der Satellit voll funktionsfähig ist, wird das darin enthaltene Laserterminal OSIRIS in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) weiterbetrieben. Auch Studierenden bleibt Flying Laptop für praktische Betriebserfahrungen erhalten.

Dieses Bild zeigt Sabine Klinkner

Sabine Klinkner

Prof. Dr.-Ing.

Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin, Professorin für Satellitentechnik

Dieses Bild zeigt Jacqueline Gehrke

Jacqueline Gehrke

 

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Zum Seitenanfang