60 x 70 x 87 Zentimeter groß und 110 Kilogramm schwer: Flying Laptop war beim Antritt seiner Reise ins All am 14. Juli 2017 der bis heute größte und vor allem komplexeste Kleinsatellit, der an einer deutschen Universität entwickelt wurde. Einmalig in der universitären Luft- und Raumfahrtlehre haben mehr als 170 Studierende und mehr als 25 Promovierende den Kleinsatelliten mit Unterstützung von Expert*innen aus der Industrie gebaut, fit für die Reise ins All gemacht und in Betrieb genommen. Damals hätte das Team um Professorin Sabine Klinkner nicht zu hoffen gewagt, dass das Projekt Forschung und Lehre der Universität Stuttgart so lang und so erfolgreich dienen würde.
Sechs Jahre störungsfreier Betrieb
„Ursprünglich war der Kleinsatellit auf eine Lebensdauer von zwei Jahren angelegt“, erklärt Klinkner. „Nun liefert er noch immer Daten aus dem All, die beispielsweise für die Landwirtschaft genutzt werden können, und wichtige Telemetrie, die uns hilft, Technologien zur Datenübertragung weiterzuentwickeln. Das ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit.“
Da sich Flying Laptop als höchst zuverlässig und robust erwies, wurde der Betrieb zweimal um je zwei Jahre verlängert. In diesen sechs Jahren leistete Flying Laptop wertvolle Beiträge, wie zum Beispiel zur Vegetations- oder Schiffsverkehrsüberwachung. Mit an Bord sind innovative Technologien, etwa eine neuartige Satellitenavionik oder das Laserkommunikationsterminal OSIRIS, die im Weltraum erprobt werden.
Nun läuft die Projektfinanzierung für Flying Laptop aus, doch Klinkner versichert: „Auch wenn wir den Satelliten nun nicht mehr vollständig ausnutzen, hat er noch lange nicht ausgedient.“
Grundstein für Raumfahrtinfrastruktur auf dem Uni-Campus
Obwohl Satelliten zu großen Teilen automatisiert arbeiten, ist die Bodeninfrastruktur noch immer maßgeblich für den Satellitenbetrieb. Noch können Satelliten nicht von allein arbeiten. „Für den Satellitenbetrieb wurden eine Bodenstation und ein Kontrollzentrum auf dem Campus Vaihingen errichtet“, sagt Steffen Gaißer, langjähriger Leiter des Satellitenbetriebs. Von dort überwacht das Satellitenteam Flying Laptop, definiert die nächsten Aufgaben und kommandiert den Satelliten.
„Außerdem haben wir im Zuge des Projekts einen Reinraum für die Satellitenintegration, eine Thermal-Vakuum-Kammer sowie einen Simulator für Software-Verifikation und Betriebssimulationen eingerichtet“, so Klinkner. „Für die Forschung im Bereich Satellitentechnik am Standort Stuttgart ist diese Infrastruktur eine extrem wertvolle Grundlage, die auch für alle nachfolgenden Missionen genutzt werden kann. Das kommt auch unserem zweiten Satelliten EIVE zugute, der seit einem Monat Gefährte des Flying Laptop im All ist.“
Studierende koordinieren Entwicklung und Betrieb des Satelliten
Mittlerweile befindet sich Flying Laptop 2190 Tage im All und umrundete die Erde mehr als 32.000-mal. Möglich macht das ein Team von Studierenden und Promovierenden, die den Satelliten überwachen – zu Beginn rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb, dann zunehmend automatisiert.
Von Anfang an lagen Entwicklung, Bau, Betrieb und Überwachung des Satelliten in den Händen des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart – eine Mammutaufgabe, die er hervorragend gemeistert hat. „Für die Studierenden und Promovierenden war und bleibt Flying Laptop eine tolle Möglichkeit, ihr Wissen aus dem Studium anzuwenden. So eine intensive Projektarbeit ist eine einmalige und sehr wertvolle Erfahrung“, sagt Klinkner.
Das Wissen aus den Vorlesungen konnten die Studierenden direkt in der Praxis umsetzen: Mit Flying Laptop konnten sie ein eigenes Erdbeobachtungsprojekt planen, durchführen und auswerten. „Flying Laptop ist ein ausgezeichnetes Projekt, um Studierende für die Raumfahrt zu begeistern und ihnen die Möglichkeit zu geben, schon im Studium eigene Erfahrungen im Rahmen eines Raumfahrtprojekts zu sammeln“, erklärt Gaißer.
Für Lehrzwecke weiter im Einsatz
Neben den eigentlichen Missionszielen hat Flying Laptop weitere Forschungsfragen gewinnbringend untersucht. Nun wird der Betrieb langsam reduziert. Doch so lange der Satellit voll funktionsfähig ist, wird das darin enthaltene Laserterminal OSIRIS in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) weiterbetrieben. Auch Studierenden bleibt Flying Laptop für praktische Betriebserfahrungen erhalten.
Sabine Klinkner
Prof. Dr.-Ing.Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin, Professorin für Satellitentechnik
Jacqueline Gehrke
Redakteurin Wissenschaftskommunikation